Nach der Geburt

Die Gefühle die man als Mutter bzw als Eltern nach einer Geburt hat waren bei uns in etwa die gleichen.So war es jedenfalls bei mir.Ich konnte mich gar nicht genug satt sehen an meinen kleinen Sohn.Er war einfach so perfekt, so wunderschön.Ich war und bin eine stolze Mutter.
Dieser kleine Mensch hatte also 40 Wochen meinen Bauch bewohnt........

Nach der Geburt sind wir noch eine ganze Weile im Kreissaal geblieben.Anton wurde gewogen und gemessen und dann schön eingekleidet.Er sah so hübsch aus.
Nach einiger Zeit haben wir darum gebeten wieder auf die Station gehen zu dürfen.
Da ich selber nicht in der Lage war zu laufen haben sie mich mit Anton auf unser Zimmer gebracht.
Dort waren wir drei ganz ungestört.Alle haben sich wirklich sehr lieb um uns gekümmert.
Anton war die ganze Zeit bei mir in meinem Arm.
Ich war sehr erschöpft und auch mehr als nur traurig aber gleichzeitig auch total glücklich meinen kleinen Schatz bei mir zu haben, ihn streicheln und riechen zu dürfen.Die Realität konnte ich dadurch gut ausblenden.
Irgendwann wurde uns sein Bettchen gebracht in das ich ihn dann auch bald gelegt hatte.Nach dem Abendbrot haben wir uns dann schlafen gelegt.
Ich hatte meinen Sohn die ganze Nacht bei mir, jedoch konnte ich ihn nicht mit ins Bett nehmen, denn ich hatte Angst gehabt, dass ich mich auf ihn lege, ihm irgendwie weh tue.
Am nächsten Morgen fing Anton an aus der Nase zu bluten.Ich habe ihm dann das Blut immer wieder weggewischt.Das gab mir das Gefühl, dass ich mich um ihn kümmern kann.
Auch das hat mir die Illusion aufrecht erhalten, die Illusion das er ja gar nicht tot ist.
Ich glaube um 9.30Uhr kam dann die Seelsorgerin.
Sie hat ein kleines und sehr schönes Ritual vollzogen und unseren Anton Namensgesegnet. 
Wir sind dann alles durchgegangen wie es weitergehen wird.(Bürokratie, Beerdigung.....)
Dann haben wir vereinbart, dass sie nach einer Stunde wieder kommt und wir ihr sagen ob wir noch Zeit brauchen oder ob wir uns schon von ihm verabschieden können....
Wir haben uns in der Stunde von ihm "verabschiedet".Denn ich hätte nicht sagen können wie lange ich noch gebraucht hätte......am liebsten wäre mir es gewesen, wenn ich mich hätte gar nicht verabschieden müssen.Ich hätte ihn  so gerne einfach behalten.

Dann war die Stunde vorbei.

Unsere liebe Seelsorgerin kam wieder, wir teilten ihr mit wie wir uns entschieden haben.
Dann legte ich ihn in das Bettchen, sie legte ein weißes Tuch über das Bett und rollte ihn raus.
Aus war er, der Traum.......

Eine Woche später hatten wir uns wieder mit der Seelsorgerin getroffen um die Beerdigung zu besprechen, da wir gemeinsam die Beerdigung planten und sie die Rede halten "sollte".
Nach dem Gespräch besuchte ich meinen kleinen Anton und hielt ihn im Arm.
Er sah so lebendig aus, er hatte eine rosa Babyhaut, als würde er schlafen......Doch er fühlte sich nicht mehr lebendig an.
Er war kalt so kalt.....aber so wunderschön und einzigartig.


Mitmenschen, nehmt uns trauernde Eltern an!

Geht behutsam mit uns um, denn wir sind schutzlos.
Die Wunde in uns ist noch offen und weiteren Verletzungen preisgegeben.
Wir haben so wenig Kraft, um Widerstand zu leisten.

Gestattet uns unseren Weg, der lang sein kann,
Drängt uns nicht, so zu sein, wie früher, wir können es nicht sein.
Denkt daran, dass wir in Wandlung begriffen sind.
Habt Geduld!

Wir wissen, dass wir Bitteres in Eure Zufriedenheit streuen,
dass Euer Lachen ersterben kann, wenn Ihr unser Erschrecken seht,
dass wir Euch mit Leid konfrontieren, das Ihr vermeiden möchtet.

Wenn wir Eure Kinder sehen, leiden wir.
Das „Nie mehr“ ist wie ein Schrei in uns, der uns lähmt.
Wir müssen die Frage nach dem Sinn des Lebens stellen.
Wir haben die Sicherheit verloren, in der Ihr noch lebt.

Ihr haltet uns entgegen: auch wir haben Kummer!
Doch wenn wir Euch fragen, ob Ihr unser Schicksal tragen möchtet,
erschreckt Ihr.
Aber verzeiht: unser Leid ist so übermächtig, dass wir oft vergessen,
dass es viele Arten von Schmerz gibt.

Ihr wisst vielleicht nicht, wie schwer wir unsere Gedanken sammeln können.
Unsere Kinder begleiten uns.
Vieles, was wir hören, müssen wir auf sie beziehen.
Ihr vergangenes Leben mit uns zwingt uns zum Vergleich.
Wir hören Euch zu, aber unsere Gedanken schweifen ab.

Nehmt es an, wenn wir von unseren Kinder und unserer Trauer
zu sprechen beginnen, wir tun nur das, was in uns drängt.
Wenn wir Eure Abwehr sehen, fühlen wir uns
unverstanden und einsam.

Lasst unsere Kinder bedeutend werden vor Euch.

Teilt mit uns den Glauben an sie.
Noch mehr wie früher sind sie ein Teil von uns.
Wenn Ihr unsere Kinder verletzt, verletzt ihr uns.
Mag sein, dass wir sie vollendeter machen, als sie es waren,
aber Fehler zuzugestehen fällt uns noch schwer.
Zerstört nicht unser Bild! Glaubt uns, wir brauchen es so.

Versucht, Euch in uns einzufühlen.
Glaubt daran, dass unsere Belastbarkeit wächst.
Glaubt daran, dass wir eines Tages mit
neuem Selbstverständnis leben werden.
Euer „Zu-trauen“ stärkt uns auf diesem Weg.

Wenn wir es geschafft haben, unser Schicksal anzunehmen,
werden wir Euch freier begegnen.
Jetzt aber zwingt uns nicht mit Wort und Blick,
unser Unglück zu leugnen.
Wir brauchen Eure Annahme.
Vergesst nicht: wir müssen so vieles von neuem lernen,
unsere Trauer hat unser Sehnen und Fühlen verändert.

Bleibt an unserer Seite!
Lernt von uns für Euer eigenes Leben!

(Erika Bodner)
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